paul m waschkau # Die Galeere der Kaltblüter # Schauerfeldfragment

 

 

 

Die Galeere der Kaltblüter # Schauerfeldfragment #

Textuelle Komposi­tion poetisch-apokalyptischer Kraftfelder als monologi­sches MehrpersonenDrama für 1-4 Ms wie 1-3 Fs.

 

Pathos Transport BERLIN 1997//2004;  Broschur HF  ½_Din4 36 S.

UA Garn.Theater Berlin 1998/1999 # Regie: Adolfo Assor; 44 Vorstellungen.

 

 

„Der Schlaf ist eine Weltanschauung.“ # Der Kaltblüter ist mit seiner Galeere in der VILLA  WAHNFRIED gestrandet, um sich von den Strapazen des Reisens und Mordens zu er­holen, das kein Ende nehmen will. Denn in den Hauptstrassen des Glücks stehen die Fleisch­bänke noch. Sie schreien nach Opfern. Sie for­dern ihr Blut. Das Schlachtbeil schlägt immerzu zu. In den Regionen umkämpfter Ölfelder, auf den Gewässern der Piraterie, in den Ämtern und Kliniken, auf den DichterKongressen, in der Natur. # Da der Planet von einer ziemli­chen Verwirrung geprägt ist, diskutieren die Gelehrten unaufhörlich, wieso es den In­ge­nieuren bis heute unmöglich bleibt, die Ham­letmaschine zu reparieren.  Allein die schlamm-vermoderte Ophelia/Zombie weiß eine Antwort, aber man will sie nicht – hören.

 

DIE GALEERE DER KALTBLÜTER, geschrieben in den Wirren des „Jugoslawienkrieges“, ist ein grauenhaftes Stück nicht nur jüngster europäischer Geschichte sondern menschlicher Geschichte überhaupt. pmw

 

CoverVorlage: Schädelwaldt

 

 

 

 

 

TEXTprobe aus: Die Galeere der Kaltblüter

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Hier übrigens ist der Ort. Ein Wald. Hier schlug ich im Zer­brechen mei­nes Kopfes ihm den Schädel ein. Das bewegte Herz in den Starrungen be­freiter Raserei nach einem Streit. Die Zerreißung ins Ganze.

Ich begrub ihn. Meinen Bruder. Meinen toten, meinen egomanischen, meinen ewig lächeln­den so erfolgrei­chen Bruder. Er jedoch stand auf. Er ließ sich nicht begraben. Sprach. Ich bin un­sterblich. Ich schrie. Ihn an. Idiot. Du bist tot. Los leg dich hin. Er. Lacht. Tot. Was ist das denn. Ich dachte, der Tod sei eine Illusion. Nun. Ganz un­recht hatte er ja nicht. Bis dahin war nie ein Mensch be­graben worden. Keine Todesanzei­gen. Keine Zeitun­gen. Keine Grab­steine. Keine Fried­höfe. Also begrub ich ihn erneut. Und wie­der. Und immer wieder. Irgend­wie musste es ja mal anfangen. Gelingen. Wo wä­ren wir sonst heut. Die Unsterblichkeit des Menschen wäre ja ebenfalls tödlich. Schrie ihn also an. Du bist tot. Da. Leg dich hin und bleib lie­gen. Tot sein, heißt liegen bleiben. Was du sonst machst, ist mir wurst. Ver­standen. Er aber lach­te. Drohte. Lief mir hin­terher. Trieb mich durch Schluchten Oliven­haine Orchi­deen­land­schaften. Fel­der voll von Blüten­staub, der mich be­täubte. Heute weiß ich. Jeder weiß es. Eine künstli­che Ein­öde ist hier einge­richtet worden in einem fast tropi­schen Land. Ja ja. Aber. Was soll ich tun. Meine Hände wa­schen. Natürlich, die Hän­de. Das ge­hört dazu. Schul­dig? Nicht schul­dig? Ich bin so schuldig wie ein jeder schuldig ist. Nicht mehr. Nicht weni­ger. Trotzdem. Wenn ich es bedenke. Der warme Schein der Überver­sor­gung verbrüht die Herzen. In den Adern Flam­menspuren. Kerosin. Bren­nende Ölfelder im Ci­nemascope, gebannt auf grünem Zel­luloid, Farbe, 70 mm. Geister­land­schaften aus Rauch Schwaden Ruß. Schwarz seh ich, schwarz. Nur schwarz. Trotz aller Kurzsich­tigkeit. Dioptrien 17,3. Früher hätte man gar nichts gesehen. Heute wenig­stens schwarz. Greueltaten. Angstzerrissene See­len. Ja ja. Ich weiß. Auch mein Arsch hat eine Falte durch die oft schwerer Ge­stank in die Welt hinaus muss.

 

(....)

 

Da drüben steht er. Eigentlich bin ich es. Aber jetzt ist es er. Er war kein Heuchler. Kein Vorgartendichter. Weder Kläger noch Ankläger. Er wusste gar nicht, was er tat. Er tat es. Betrog nie. Sprach die Wahr­heit. In grüner Morgen­stunde gestand er, dass er in der Tiefe seines Herzens furchtbar sei. Grausamen Menschen habe er die Gastfreundschaft angeboten. Nur grausa­men Men­schen. Er besaß eine Villa. Und dort hielt er im Kreise der Weltstaats­männer strah­lende Mäd­chen im Arm. Küsste die Jungen. Fuhr ihnen durchs Haar. Spen­dierte ein Eis. Nachts dann hat er ihnen die Haut ab­ge­zo­gen und sie an Fleischer­haken auf­ge­hängt. Hat sie dort zappeln lassen. Hat ihnen Flammen durch ihr Fleisch gejagt. Die Peit­sche eines Bunsenbrenners sprechen las­sen. Die Aug­äpfel ge­schält. Die Zungen geröstet. Und ihnen süß­liche Worte geflü­stert. Und vom Bruder von dem Schläfer löst’ er leise das Geschlecht und aß es auf. Doch die Wunden wuchsen schlecht im Traum zu­recht. Das war seine Poesie. Ver­dammt zu wachen, blieb sein Schlaf aus. Oft schlief er tagelang nicht. Den Schlaf hielt er für eine Weltanschau­ung.

 

Manchmal übrigens erschien er mir in süßlich grau­samen Träumen, in denen wir uns rauften oder am Boden wälzten. Mit Holzpistolen stan­den wir uns wie John Wayne und Billy the Kid gegenüber, bis einer nach ausgedehntem Mi­nen­spiel unter flitzendem Ku­gelhagel mit wil­den Zuckungen getroffen zu Boden sank. Meist war es jener, der seinen Colt zuerst gezogen hatte, weil derjenige im Western immer der Lang­samere ist. Ebenso oft kam er, nur um mich im Zorn zu erschrecken. Dann hoffte ich, dass er mir den Kopf abschnitte. Das würde be­stimmt ekelhaft sein. Ich hatte davon gelesen.

 

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